Interview: Industriegüter-Vertrieb im Wandel

Ulrich Dietze, Gründer und Geschäftsführer der Deutschen Vertriebsberatung GmbH, und Simon Schröder, Leiter Vertrieb und Marketing bei encoway, im Gespräch über die Auswirkungen von COVID-19 auf den Vertrieb von Industriegütern.

Welche Veränderungen beobachten Sie derzeit bei Industrieunternehmen?

Ulrich Dietze: Ich nehme zwei Strömungen war. Es gibt Unternehmen, die fahren sämtliche Kosten und Investitionen runter und warten, bis es vorbei ist. Sie hoffen darauf, dass es zukünftig wieder besser wird.  Andere Unternehmen betrachten die aktuelle Situation als Chance. Sie testen neue Methoden, um gestärkt aus der Krise zu gehen oder gar ihre Wettbewerbsposition auszubauen. Diese Unternehmen sehen das veränderte Kaufverhalten ihrer Kunden als eine Entwicklung, die sich langfristige auf ihre Vertriebsarbeit auswirken wird und sind offen für neue Wege.

In Branchen wie dem Maschinenbau wäre es bis vor einem Jahr unvorstellbar gewesen, komplexe, hoch technische Maschinen per Webkonferenz zu verkaufen. Doch es funktioniert! Natürlich gab es am Anfang Vorbehalte. Ein Online-Verkaufsgespräch fühlt sich schließlich anders an als der Vor-Ort-Termin beim Kunden. Doch viele Vertriebler erkennen, welche Vorteile und Potenziale das „neue“ Verkaufen bietet. Der entscheidende Punkt ist, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darauf einlassen. Zusätzlich ist es wichtig, dass der Vertrieb in Bezug auf die neuen Verkaufsmethoden geschult wird. Gibt man ihm zusätzlich Verkaufsinstrumente wie einen Produktkonfigurator an die Hand, um Produkte leichter digital anzubieten, können Effizienzsteigerungen erzielt werden, mit denen die Unternehmen sicher nie gerechnet hätten.

„In Branchen wie dem Maschinenbau wäre es bis vor einem Jahr unvorstellbar gewesen, komplexe, hoch technische Maschinen per Webkonferenz zu verkaufen.“

Simon Schröder: „Veränderung geschieht über Krisen“ – das bewahrheitet sich auch in der aktuellen Situation. Bei unseren Kunden und Interessenten ist das Bewusstsein dafür gestiegen, welche Auswirkungen eine verschlafene Digitalisierung auf ihr zukünftiges Geschäft hat. Toni Feldinger, Head of Business Process Management unseres Kunden SKIDATA, hat die Investition in die Vertriebs-Digitalisierung des Herstellers für Zutrittssysteme sehr gut auf den Punkt gebracht: „Wir rüsten uns damit für den Aufschwung nach der Krise, denn digitale Vertriebsprozesse sind aus unserer Sicht dann noch entscheidender, um ambitionierte Wachstumsziele zu erreichen.“

Besonders im Maschinenbau erleben wir eine große Veränderung. In der Vergangenheit wurden Digitalisierungsprojekte oft aufgeschoben. Die Auftragsbücher waren voll und die Auslastung hoch. Jetzt haben Maschinenbauer die nötige Luft, um Projekte anzugehen. Auch der Mut zum Experimentieren ist gestiegen. Plötzlich ist die Idee, dem Kunden das eigene Portfolio mithilfe von Webkonfiguratoren zugänglich zu machen, gar nicht mehr so abwegig. Während in den ersten Wochen des Lockdowns viele Projekte verschoben und Budgets eingefroren wurden, erleben wir momentan einen Investitionsrun. Unternehmen wollen schnell eine Vertriebslösung, mit der sie einen professionellen Vertrieb – auch aus dem Home-Office heraus – sicherstellen können. Nicht zuletzt, weil sie sehen: auch die Konkurrenz schläft nicht.

Haben Ihre Beobachtungen denn nur etwas mit der aktuellen Situation durch COVID-19 zu tun?

Ulrich Dietze: Die meisten Dinge haben nichts mit Corona zu tun. Es sind Versäumnisse der letzten Jahre, die nun nachgeholt werden. Einige Vertriebsleiter waren bisher der Meinung, dass ihre Mitarbeiter verkaufen können und dies auch nicht trainieren müssen. In Zeiten hoher Nachfrage ist es grundsätzlich leichter Aufträge zu generieren, solange das Produkt marktfähig ist.  

Viele Unternehmen sahen bisher keinen Bedarf, ihre Vertriebsprozesse zu analysieren und weiterzuentwickeln. Doch dass Reaktionszeit, Bedarfsermittlung und Angebotsqualität massiven Einfluss auf die Abschlusswahrscheinlichkeit haben, ist kein Geheimnis. Gerade jetzt, wo es darum geht, in einer verhaltenen Nachfragesituation den eigenen Marktanteil zu verteidigen oder auszubauen, bekommen diese Faktoren mehr Gewicht.

„… dass Reaktionszeit, Bedarfsermittlung und Angebotsqualität massiven Einfluss auf die Abschlusswahrscheinlichkeit haben, ist kein Geheimnis.“

Simon Schröder: Neben der Erhöhung der Abschlusswahrscheinlichkeit gibt es zwei wichtige Themen, mit denen sich Unternehmen derzeit beschäftigen: Prozesskosten und Leadgenerierung. Durch COVID-19 ist der Druck auf die Prozesskosten noch einmal verstärkt worden. Umsätze brechen weg, aber Kosten bleiben. Vertriebsleiter haben den Auftrag, ihre Kosten drastisch zu reduzieren. Dabei stehen besonders Personalkosten im Fokus. Aber auch fehlende Anfragen und Leads sind ein großes Thema. Messen fallen weg, die Verkaufspipeline läuft leer und potenzielle Kunden sind im Home-Office für Vertriebler kaum greifbar. Hier kommt dann schnell das Thema eCommerce ins Spiel.

Doch was für Standardprodukte bereits gang und gäbe ist, sehen Hersteller variantenreicher Maschinen und Anlagen meist noch skeptisch. „Online-Konfiguratoren für unsere hoch technischen Maschinen und Sonderbauten? Das geht doch gar nicht“, lautet häufig die Antwort der Maschinenbauer, mit denen ich spreche. Dabei zeigt das Beispiel unseres Kunden LiSEC, dass genau dieses Konzept trägt. Der Hersteller von Glasbearbeitungsanlagen setzt bereits seit drei Jahren einen Online-Konfigurator auf seiner Webseite und auf Messen ein, um systematisch und sehr erfolgreich qualifizierte Leads zu generieren.

„Durch COVID-19 ist der Druck auf die Prozesskosten noch einmal verstärkt worden.“

Wie können Sie vor dem Hintergrund aktueller Kostendiskussionen die Investition in bessere Vertriebsprozesse oder gar in IT-Systeme begründen?

Ulrich Dietze: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Unternehmen keinen präzisen Einblick in die Kosten ihres Angebotsprozesses haben. Rechne ich dies einmal gemeinsam mit meinen Kunden durch, sind sie häufig sehr überrascht. Betrachten wir dann noch, welchen Effekt bereits die Steigerung der Hitrate um wenige Prozentpunkte hat, finde ich häufig sechsstellige Summen, die Unternehmen Jahr für Jahr verschwenden. Einiges Potenzial lässt sich bereits durch kleine Prozessanpassungen heben, dies ist dann Argument genug. 

Simon Schröder: Auch ich werde immer wieder mit der Frage der Amortisation einer CPQ-Lösung konfrontiert. Darauf gibt es natürlich keine Pauschalantwort. Doch mithilfe eines einfachen Rechenbeispiels werden die Einsparungspotenziale eines Produktkonfigurators schnell deutlich.

Nehmen wir an, Sie schreiben 1.000 Angebote pro Jahr. Pro Angebot benötigen Sie 5 Stunden zu einem internen Verrechnungssatz von 50 € pro Stunde. Dann kostet Sie alleine die Angebotserstellung 250.000 € im Jahr. Gelingt es durch den Einsatz eines Angebotskonfigurators, die Zeit pro Angebot zu halbieren – was absolut realistisch ist – sparen Sie bereits 125.000 € pro Jahr. Ein gutes Beispiel hierfür ist unser Kunde LiSEC. Ihm gelang es mithilfe unserer Konfigurationslösung, allein die Bearbeitungszeit seiner Angebote für Sonderlösungen um 50 Prozent zu senken. Und viele unserer Kunden erzielen in der Praxis sogar noch deutlich höhere Effizienzsteigerungen.

Betrachten wir zusätzlich die gesteigerte Hitrate durch schnellere, professionellere und vor allem fehlerfreie Angebote, rechnet sich die Investition in einen Produktkonfigurator in der Regel bereits nach weniger als einem Jahr. Hinzu kommen weitere positive Effekte, wie z. B. eine geringere Fehlerquote bei der Auftragsbearbeitung durch durchgängige Prozesse von der Anfrage bis zur Auftragsanlage im ERP und den Wegfall manueller Arbeitsschritte. Auch das ist ein erheblicher Hebel um Kosten zu senken, den viele Unternehmen zunächst gar nicht sehen.

„Die Investition in einen Produktkonfigurator rechnet sich in der Regel bereits nach weniger als einem Jahr.“

Was denken Sie, wie der Industriegüter-Vertrieb zukünftig aussehen wird? Worauf wird es ankommen?

Ulrich Dietze: Die Krise hat Unternehmen wachgerüttelt und gezeigt, wie abhängig sie – besonders im Industriegüter-Vertrieb – von Menschen und persönlichen Treffen sind. Sie hat auch bestätigt, dass Paradigmen, wie „kein Auftrag ohne Vor-Ort-Termin“, keinen Bestand mehr haben. Um den Anschluss nicht zu verlieren müssen Unternehmen jetzt neue Wege gehen. Gerade ist die Zeit, in der Unternehmen noch experimentieren können und sie Kundenansprüchen bereits mit einfachen, digitalen Lösungen gerecht werden. Warten sie allerdings noch drei Jahre, bis ihre Konkurrenz erste Erfahrungen gesammelt und ihre digitalen Vertriebstools weiter ausgefeilt hat, sind die Erwartungen der Anwender deutlich höher. Sie müssen dann bereits im ersten Wurf eine extrem professionelle Lösung bieten, um Schritt zu halten. Daher gibt eigentlich nur zwei Fehler, die Unternehmen derzeit machen können. Erstens: Sie warten ab und agieren weiter wie bisher. Zweitens: Um Kosten zu sparen, reduzieren sie ihre Vertriebsaktivitäten.

„Um den Anschluss nicht zu verlieren müssen Unternehmen jetzt neue Wege gehen.“

Simon Schröder: Ich sehe eine sehr positive Entwicklung. Das Thema digitale Vertriebsunterstützung wird jetzt angegangen, aber nicht „over engineered“, sondern schnell und agil. Unternehmen lösen sich von dem Gedanken, dass ein Konfigurator als Ergebnis immer eine 100 % fertige Lösung ausspucken muss. Die Praxis zeigt: Einige unserer Kunden erzielen bereits mit einer 80 %-Lösung große Erfolge und signifikante Prozessverbesserungen.

Die Erfahrung zeigt: wenn Sie von Anfang an den kompletten Rundumschlag machen und ihr gesamtes Portfolio sowie sämtliche Backend-Systeme in einen Produktkonfigurator einbinden, scheitern Sie garantiert. Das Projekt dauert viel zu lange und läuft Gefahr, sehr teuer zu werden. Spätestens nach zwei Jahren müssen Sie sich der Management-Frage stellen: Warum haben wir bisher nur Kosten produziert und noch keine Evidenz, dass wir die prognostizierten Potenziale heben? Die Folge: Das Projekt wird ohne Erfolg eingestellt.

Deswegen mein Tipp: Sie sollten mit einer einfachen Lösung, überschaubaren Kosten und schnellen, messbaren Ergebnissen starten. Bei encoway haben wird genau dafür eine Art „Schnellstart-Paket“ designed. Den Webkonfigurator „out of the box“ inklusive Datenpflege-Software können Sie innerhalb weniger Tage in Betrieb nehmen, um z. B. qualifizierte Anfragen über Ihre Webseite zu generieren. So merken Sie schnell, ob das digitale Instrument zur Leadgenerierung für Sie funktioniert. Und sollte kein positiver wirtschaftlicher Effekt eintreten, können Sie die Software einfach wieder zurückzugeben.

„Das Thema digitale Vertriebsunterstützung wird jetzt angegangen, aber nicht „over engineered“, sondern schnell und agil.“

Simon Schröder
Simon Schröder

Leiter Vertrieb und Marketing, encoway GmbH
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Ulrich Dietze
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