6 Tipps für gute Produktmodelle

Der Variantenreichtum steigt in vielen Bereichen der Fertigungsindustrie weiter an. Ohne den Einsatz leistungsfähiger IT-Systeme ist er nicht mehr zu handhaben. Produktmodelle, die das Portfolio in den IT-Systemen repräsentieren, müssen alle relevanten Aspekte der Produkte umfassen. Um der fortschreitenden Digitalisierung aller Produktlebenszyklen gerecht zu werden, von der Konstruktion bis hin zu Wartung und Service, müssen Produkte in IT-Systemen zudem in geeigneter, durchgängiger Weise abgebildet werden. 

encoway hat speziell in der Modellierung von vertrieblichen Konfigurationsmodellen viel Erfahrung für verschiedenste Produktbereiche gesammelt. Einen Teil unserer Erfahrungen gebe ich Ihnen hier als zusammengefasste Tipps weiter. 

1. Erst konzipieren – dann modellieren!

Beginnen Sie mit einem Modellkonzept. Klären Sie frühzeitig, welche Funktionen im Konfigurationsmodell verankert werden sollen und worin der Mehrnutzen für die Anwender eines Konfigurators liegt. Soll beispielsweise die einfache Prüfung der korrekten Kombinatorik von Bauteilen, Modulen oder Produktoptionen im Fokus stehen? Oder benötigen Ihre Anwender eine Unterstützung bei der detaillierten technischen Auslegung Ihrer Produkte? Für eine Auslegung beantworten Sie im Vorfeld folgende Fragen: Wie komplex ist die zu erwartende Berechnungslogik? In welcher Form liegt das Auslegungswissen, das sich momentan vielleicht noch in einer „mystischen C-DLL“ verbirgt, noch vor? 

Ein Konfigurationsprojekt bietet oft den Anlass, das Wissen Ihres Unternehmens in strukturierter Form zu erfassen. Machen Sie sich frühzeitig klar, welche Personen Knowhow bei der Modellerstellung beisteuern können und müssen. Schaffen Sie ihnen den benötigten Raum, die erforderliche Zeit dafür! Soll in Ihrem Unternehmen eine existierende Konfigurationslösung durch ein neues System abgelöst werden, dann sollten Sie den Funktionsumfang der älteren Lösung berücksichtigen. Eine neue Softwarelösung, die wichtige Funktionalitäten Ihrer alten Excel-Konfigurationstabelle nicht beherrscht, wird vermutlich immer ein Akzeptanzproblem haben.  

Ein Konfigurationsprojekt bietet den Anlass, das Unternehmenswissen in strukturierter Form zu erfassen - beginnen Sie dabei mit einem Konzept
Ein Konfigurationsprojekt bietet den Anlass, das Unternehmenswissen in strukturierter Form zu erfassen - beginnen Sie dabei mit einem Konzept

2. Von der Kunst, den richtigen Modellierungsansatz zu wählen

Zu Beginn eines Konfigurationsprojektes stehen Sie vor der Frage nach dem richtigen Modellierungsansatz. Zwei Modellierungsansätze sind verbreitet, die stücklistenbasierte und die klassenbasierte Modellierung, wobei auch Mischformen möglich sind. Beide Ansätze haben Vor- und Nachteile. Sie unterscheiden sich im Aufwand für den initialen Aufbau, in der Mächtigkeit des Regelwerkes und im Aufwand für Pflege und Wartung.

Ein positionszentrierter Stücklistenansatz ist adäquat, wenn Sie Maschinenbauer sind und ein Modell für die Konfiguration einer Vertriebsstückliste ohne tiefergehende technische Auslegungslogik erstellen wollen. Bei Auslegungsmodellen, in denen anforderungsbasiert, technisch korrekte Konfigurationen gefunden werden müssen, ist der klassenbasierte Ansatz (eher) die richtige Wahl. Er besitzt mit merkmalsbasierter Logik die notwendige Ausdrucksmächtigkeit.

Prüfen Sie für die Wahl des Konfigurationsansatzes folgende Themen:

  • Welche Produktdaten liegen im Unternehmen bereits vor?
  • Wie verarbeiten weiterführende Systeme die Konfigurationsdaten?
  • Welche Personen sind an der Erstellung und Pflege des Modells beteiligt?
  • Wie ist die Änderungshäufigkeit von Baugruppen oder Produktreihen?

Die Antworten auf diese Fragen liefern die Grundlage für die Entscheidung des am besten geeigneten Modellierungsansatzes sowie für eine realistische Planung der Modellierungsaufgaben.

Die encoway Konfigurationsplattform unterstützt beide Konfigurationsansätze. Für komplexe Szenarien können diese kombiniert werden. Eine Übernahme von KMAT-Modellen aus dem SAP-LOVC in die encoway-Plattform ist automatisiert möglich. Lassen Sie sich frühzeitig im Projekt bei der Wahl des adäquaten Modellierungsansatzes beraten. Unsere Modellierungsexperten unterstützen Sie gerne!

3. Definieren Sie klare Schnittstellen

Haben Sie Ihre Produktionsprozesse auf die Fertigung eines variantenreichen Produktportfolios vorbereitet? Durch Modularisierung und die Schaffung eines Produktbaukastens? Dann führen Sie diesen Ansatz in Ihren Produktmodellen konsequent fort! Mit einer klar definierten „Außensicht“ Ihrer Produkte lassen sich Ihre Konfigurationsmodelle später leichter in verschiedenen Kontexten weiter verwenden. Zudem sind klar definierte Schnittstellen, in Form von Merkmalszusammenstellungen, die Basis für die Integration neuer konfigurierbarer Produkte oder Baugruppen in bestehende Konfigurationsanwendungen. So kann ein Konfigurationsmodell, das heute entsteht, um Ihre Maschinen über Ihren Vertriebsaußendienst sicherer zu verkaufen, in einem Jahr für die Darstellung Ihrer Lösungskompetenz durch einen Applikationsberater auf Ihrer Website genutzt werden. 

Dies funktioniert nur, wenn Modelle ähnlicher Produkte sich auch mit ihrer Schnittstelle nach außen ähnlich darstellen. Das Gleiche gilt für den Einsatz mehrstufiger Stücklisten für die Repräsentation Ihrer Produktstrukturen. Grenzen Sie jede Hierarchieebene über eine klar definierte Schnittstelle nach außen ab. 

4. Trennen Sie Produkt- und Applikationslogik

Wie eben erwähnt, kann es sehr vorteilhaft sein, einen Konfigurator schrittweise auf Basis vorhandener Konfigurationsmodelle zu einem Lösungskonfigurator auszubauen. Aus diesem Grund sollte Konfigurationslogik so modelliert werden, dass sie in verschiedenen Kontexten genutzt werden kann. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist die klare Trennung von technischem und vertrieblichem Regelwerk von der Steuerung der Oberflächenlogik. 

Eine Modularisierung des Konfigurationswissens bedeutet, jedes Produkt „kennt“ seine innere Logik und übergeordnete Modelle definieren die Kombinationsmöglichkeiten in System- und Lösungskonfigurationen. Dadurch verbessert sich die Wiederverwendbarkeit der modellierten Zusammenhänge. Die Logik zur Steuerung der Anwendungssicht, also z.B. zur Sichtbarkeit von Eingabefeldern, zur Nutzung dynamischer Pflichtfelder, zur Erzeugung von Kennlinien zur visuellen Kontrolle einer Auslegung oder zur Berechnung von Datenblättern, kann beliebig komplex werden. Sie sollte modellseitig klar von der Baubarkeits- und Vertriebslogik getrennt sein.

Der encoway-Standardkonfigurator stellt bei minimalem Modellierungsaufwand eine einfach bedienbare Benutzeroberfläche für die Konfiguration im Vertrieb bereit. Sie bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Strukturierung des Konfigurationsablaufes. Für die Implementierung von komplexeren Auslegungswerkzeugen oder Anwendungen mit besonderem Designanspruch greifen encoway-Experten auf einen Erfahrungsschatz von über 15 Jahren zurück.

5. Definieren Sie Testszenarien

Definieren Sie frühzeitig Testfälle für verschiedene Konfigurationsszenarien. So stellen Sie die nachhaltige Pflege und Wartbarkeit Ihres Konfigurationsmodells sicher. Definieren Sie diese in Form von Benutzereingaben und in Form erwarteter Konfigurationsergebnisse. Dann ist es für Sie ein Leichtes, auch bei der Weiterentwicklung des Modells oder beim Update Ihrer Produktdaten korrekte Konfigurationsergebnisse sicherzustellen.

Führen Sie automatisierte Modelltests ein, um die Grundlage für regelmäßige Aktualisierbarkeit zu schaffen. Dies ist vor allem bei häufigen Änderungen Ihres Produktportfolios sinnvoll. Und es erlaubt Ihnen, Ihr Modell zu einem späteren Zeitpunkt zu „refaktorieren“, das heißt strukturelle Änderungen vorzunehmen. Denn auch die Anforderungen an einen Konfigurator oder an die Produktstrukturen werden über die Jahre nicht die Gleichen bleiben.

6. Dokumentieren Sie! Von Anfang an!

Als Produktmodellierer kommt Ihnen das Folgende sicher bekannt vor: schnell haben Sie das erste Produktmodell entwickelt. Die Produktstruktur haben Sie als ausgedrucktes Foto eines Whiteboards auf dem File-Share abgelegt. Das Regelwerk erschließt sich Ihnen gut aus der Erinnerung. Zwei Jahre später stellt sich die Lage dann leider ganz anders dar: Zwei neue Kollegen sollen Sie bei der Modellierung unterstützen und fragen ständig Dinge, die nur Sie beantworten können. Das Produktmanagement hat einige neue Restriktionen definiert, die nur aus Marketingsicht die Produktvarianz einschränken. Sie können sich aber partout nicht mehr an die Regeln erinnern, mit denen Sie seinerzeit die technischen Abhängigkeiten zwischen den betroffenen Bauteilen formuliert haben.

Abhilfe schafft hier nur eines: Disziplin. Dokumentieren Sie Ihre Modelle von Beginn an! Beschreiben Sie in kurzen Worten und umgangssprachlich die besonderen Herausforderungen hinter dem Konfigurationsproblem. So ermöglichen Sie neuen Kollegen einen schnellen Einstieg. Stellen Sie Ihre Produktstrukturen möglichst grafisch dar, um einen Überblick zu schaffen. Benennen Sie Abhängigkeiten, die Sie in Form von Berechnungen, Kombinationstabellen oder gar programmierten Funktionen repräsentieren, von Anfang an nach einem konsistenten Schema. Notieren Sie am besten nicht nur die Funktionsweise, sondern auch den Grund für deren Modellierung, z.B. ob sie aus technischen, vertrieblichen oder sonstigen Restriktionen resultiert. 

Wie Sie sehen, sind einige Dinge zu berücksichtigen, um ein erfolgreiches, sicheres und flexibles Produktmodell zu erhalten. Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesem Einblick in unseren Erfahrungsschatz hilfreiche Tipps geben. 

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