Interview mit einem KMAT

„Mir war von Anfang an die Bürde auferlegt, integrativ wirken zu müssen“

In unserem Berufsalltag sind wir es gewohnt, nüchtern und professionell mit IT-Systemen umzugehen. Wir arbeiten mit Datenstrukturen, Attributen, Eingabemasken und all den Abstraktionen, die letztlich nur aus Nullen und Einsen aufgebaut sind. Aber was wäre, wenn wir in diesen abstrakten Konzepten etwas mehr sehen würden? Wenn wir ihnen sogar etwas Leben einhauchten? Wie würde wohl ein KMAT die Welt sehen? Mögliche Antworten dazu finden Sie in diesem ausgedachten Interview.

Ich danke besonders Herrn Ernst Wegener von der Firma Gebhardt Systems, der mitgeholfen hat, dem KMAT eine Stimme zu geben. Herr Wegener hat viele Jahre als Berater bei SAP gearbeitet und auf seinen weiteren beruflichen Stationen immer wieder mit dem KMAT zu tun gehabt.

Sehr geehrtes KMAT, woher kommt der Begriff KMAT und was bedeutet dieser?

Das KMAT ist eine Erfindung der SAP und steht für die Materialart „konfigurierbares Material“ und damit gleichermaßen für die zentrale Eigenschaft der SAP R/2 und R/3 Materialstammwelt. Aus „konfigurierbares Material“ wurde die Abkürzung KMAT geschaffen, gesprochen „Kamat“.

Wie ist Ihre Kindheit verlaufen?

Ich bin sehr schnell groß geworden, in den 70er Jahren habe ich mich in wenigen Jahren vom kleinen Vertriebs-KMAT zu einem universellen Alleskönner-KMAT entwickelt und schnell meinen Weg auch in der Konstruktion, Disposition, Arbeitsvorbereitung bis hin zum Einkauf gemacht.

Als SAP-KMAT war mir von Anfang an die Bürde auferlegt, „integrativ“ wirken zu müssen. Es durfte keine Konfiguration ohne Bezug zu einem Angebot oder Kundenauftrag geben. Gottlob war mein Entwicklungsvater damals schon so weitsichtig. Er erlaubte mir das Arbeiten auch ohne Bezug zu Angebot oder Kundenauftrag. So durfte ich, ohne großes Unheil anstellen zu können, auch simulativ eingesetzt werden, um z.B. mein Verhalten von bewussten oder unbewussten Fehlkonfigurationen testen zu können.

Wie ging es weiter, wer oder was hatte Einfluss auf Ihren Werdegang?

Also, besonders pfiffig fand ich die Idee eines Kunden, mich auch zum Generieren von Stammdaten einsetzen zu wollen. Dafür musste meine Schwester herhalten: Die Konfiguration Simulation. Dies war nur möglich, weil auch hier unser Entwicklungsvater Weitsicht bewies und die Simulation von Anfang an dafür auslegte.

Schnell machten Begriffe wie High Level und Low Level Konfiguration die Runde, Klassenknoten wurden ebenso gefeiert wie Aktionen, Vorbedingungen und Auswahlbedingungen.

Anfänglich waren es noch Aktionen, mit deren Hilfe sich von mir vorgeschlagene oder vom Anwender bewusst herbeigerufene Merkmalswerte, Stücklistenpositionen und Arbeitsvorgänge ändern ließen. Später waren es dann Prozeduren und Constraints, die die Aktionen ablösten und für mehr Durchblick und Flexibilität sorgten.

Sie sprachen von Ihrer Familie, von Ihrem Vater und Ihrer Schwester. Haben Sie noch weitere Verwandte?

Oh ja, meine Familie ist mittlerweile weit verzweigt! Sehr nah sind mir natürlich die Materialvarianten, die ich als meine Kinder und Enkelkinder betrachte. Jedoch, mit zunehmender Tiefe wird der Verwandtschaftsgrad immer geringer, so dass die Wiedererkennung allmählich verschwindet.

Zu meiner Verwandtschaft zählen auch Instanzen und auftragsspezifisch angepasste Ableger wie Auftragsstücklisten, Projektstücklisten, Netz- und Arbeitspläne. Ach ja – Leistungsverzeichnisse und Instandhaltungsanleitungen hätte ich beinahe vergessen; die sehe ich aber so selten, darum sind sie mir beinahe entfallen.

Wenn ich mich recht entsinne, findet man Sie selten unter dem Namen KMAT im Lager. Wie kommt das?

Das liegt daran, dass ich kein normales, physisches Material bin, sondern ein schlauer Repräsentant für eine ganze Familie von Produkten. Nicht selten stehe ich stellvertretend für hunderttausende Produkte oder Materialien, die man aus mir generieren kann. So kann man beispielsweise konfigurieren, ob ich für die Montage auf einer Schiene vorbereitet werden soll oder ob ich direkt angebaut werde. Oder für welche Spannungen ich ausgelegt sein soll, welcher Aufpreis mit Sonderlackierungen verbunden ist, oder…

…Sie sind also sehr flexibel?

Das kann man durchaus so sehen, aber doch immer im Rahmen eines Regelwerks, das meine Baubarkeit sicherstellt. Insofern: Flexibel ja, aber auch in sich stabil und konsistent.

Apropos Baubarkeit. Wie funktioniert das dann?

Für die konkrete Bestellung und Produktion wird aus der Konfiguration heraus eine Materialvariante gebildet. Die ist vergleichbar mit einem Foto, das von mir dann gemacht wird. Manche Organisationen gehen sogar so weit, dass sie diese Fotos mit konkreten Materialnummern versehen. Bevor dann ein neues Foto gemacht wird, wird dann erst einmal im Archiv geschaut, ob dort schon ein identisches Foto hinterlegt wurde.

Und diese konkreten Materialnummern würde man dann zum Beispiel auch im Lager wieder finden?

Genau. Damit man die Materialvariante dann auch wirklich im Lager finden kann, werden im Übrigen gleich Arbeitspläne mit konfiguriert und die Teile in Stücklisten aufgelöst. Sie beschreiben, wie die Produktion ablaufen muss und sagen dem Einkauf, was er besorgen muss.

Dann sind Sie ja eine ganz schön vielschichtige Persönlichkeit!

Ja, wenn Sie so wollen, ich nehme das als Kompliment. Zumal ich auch für verschiedene Zielgruppen unterschiedliche Profile anbieten kann. Damit können z.B. Ingenieure eines Herstellers über ein Technik-Profil viel stärker in Grenzbereiche auslegen, als das für externe Kunden erlaubt werden würde. Ich komme ja klassisch aus dem ERP. Doch mittlerweile habe ich gelernt, dass ich nicht nur detaillierte technische Zusammenhänge abbilden muss. Mehr und mehr muss ich meine Fähigkeiten auch an der Schnittstelle zum Vertrieb und zu den Kunden beweisen.

Was sind Ihre stärksten Konkurrenten und Ihre besten Freunde aus heutiger Sicht?

Selbstgestrickte Konfiguratoren ohne Anbindung an mich haben mir schon immer das Leben schwer gemacht. Es ist nicht einfach, solche Stiefkinder mit doppeltem Pflegeaufwand langfristig in den Kreis der Familie zu integrieren.

Da sind mir nahtlos integrierte Freunde oder Verwandte viel lieber, die meine Fähigkeiten ergänzen und mich fit machen für eine digitale Zeit. So habe ich speziell entwickelte Konfiguratoren kennen gelernt, die schicke grafische Frontends realisieren, vereinfachende Vertriebssichten abbilden oder gar CAD-Modelle an mich anbinden können. Beispiele findet man z.B. in der Möbelindustrie oder im Automobilsektor. Im Vergleich dazu wirkt meine traditionelle, rein technische Verwendung im ERP leicht unüberschaubar und optisch wenig ansprechend.

Aus Anwendersicht sind einfach bedienbare und schnelle Konfiguratoren eben das Maß aller Dinge. Für den Produktverantwortlichen und Modellzuständigen dagegen zählt eher, dass die Pflege meines Beziehungswissens kein Informatikstudium voraussetzt.

Welche Trends sehen Sie für die nahe Zukunft?

Ich sehe vor allem eine weiter zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft und Gesellschaft. Damit verändern sich die Ansprüche meiner Nutzer. Hinzu kommt der Trend zur weiteren Individualisierung von Produkten. Das alles stellt mich vor neue, große Herausforderungen. Im Backend soll ich Standardisierung und Massenproduktion unterstützen und gleichzeitig am Kundenfrontend Produkte in Losgröße 1 attraktiv darstellen. Zusätzlich stellt man mir die Aufgabe, Systeme und Lösungen abbilden zu können. Neuerdings soll meine Darstellung auch noch „responsive“ sein, ich muss in der Cloud laufen  und ich muss mit verschiedensten mobilen  Endgeräten klarkommen können. Mit meiner technisch-konservativen Erziehung kann ich all diesen Bedürfnissen nur schwerlich allein gerecht werden.

Zum Glück habe ich Freunde gefunden, wie zum Beispiel die Kollegen von encoway. Die kennen mich schon lange und ihnen kann ich all meine Constraints, Prozeduren und Variantentabellen anvertrauen. Sie schaffen es, diese neue Generation von Anwendern zu begeistern. Sie verstehen sich darauf, mir in hübschen Gewändern in Vertrieb und Marketing zu neuem Glanz zu verhelfen. Das sollte man ruhig einmal anschauen. Es lohnt sich.

Liebes KMAT, ich danke Ihnen für das interessante Gespräch und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg!

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