Systemkonfiguration für Komponentenhersteller: In 3 Schritten aufbauen

Komponenten verrichten ihre Arbeit für die meisten unsichtbar in einem größeren Kontext. Aber welche Komponenten braucht ein Kunde für seine aktuelle Anforderung? Und wie sieht eine funktionsfähige Kombination von mehreren Komponenten aus? Der durchschnittliche Kunde ist mit der hohen Anzahl an Kombinationsmöglichkeiten nicht vertraut und benötigt Unterstützung, um sein Risiko bei der Kaufentscheidung zu minimieren. Als Komponentenhersteller können Sie dies für sich nutzen, indem Sie eine vertriebliche Unterstützung für die Zusammenstellung von Systemen anbieten. Durch diese Systemkonfiguration bewahren Sie Ihre Kunden vor der Auswahl nicht funktionsfähiger Zusammenstellungen und beeinflussen deren Kaufentscheidung positiv. 

Wie Sie als Komponentenhersteller Funktionen und Anwendungssituationen für einen kundenfreundlicheren Auswahlprozess nutzen, beschreibe ich in meinem ersten Artikel zum Thema mit dem Titel: „Wie Komponentenhersteller Kundenmehrwert über Funktionen und Systeme definieren“. Dieses Systemgeschäft unterstützen Sie ideal mithilfe eines Konfigurators und bieten Ihren Kunden damit einen echten Mehrwert. Mit einem Konfigurator wählen und bestellen Kunden eigenständig ihre Einzelkomponenten und werden gleichzeitig beim Zusammenstellen der Teile für den „größeren Kontext“ abgeholt und unterstützt. In diesem Artikel gehe ich mit Ihnen die drei Schritte durch, die für den erfolgreichen Aufbau eines Systemkonfigurators notwendig sind: 

  1. Definieren einer modularen Produktarchitektur
  2. Zusammenstellen der benötigten Daten für die einzelnen Produkte sowie der Abhängigkeiten der Produkte untereinander
  3. Verknüpfen der vertrieblichen Darstellung mit der logistischen Abwicklung

Vorweg noch ein paar Worte, damit wir ein gleiches Verständnis haben: Als System bezeichnen wir die Zusammenstellung mehrerer Komponenten, die eigene Funktionen erfüllen aber typischerweise nicht einzeln betrieben werden. Damit die Komponenten gemeinsam Mehrwert stiften, also übergreifende Aufgaben erfüllen, müssen sie zusammen funktionieren. Bestimmte Kombinationen von Komponenten sind technisch, inhaltlich oder vertrieblich sinnvoll und andere nicht. Diese Kombinatorik gilt es formal für eine Systemkonfiguration zu definieren.

1. Definieren einer modularen Produktarchitektur

Im ersten Schritt definieren wir die modulare Produktarchitektur. Anhand eines Praxisbeispiels lässt sich dies sehr gut verdeutlichen. Der Elektrotechnik- und Automations-Spezialist Phoenix Contact stellt Produkte und Lösungen für unterschiedliche Bereiche her, u.a. Elektronikgehäuse und Klemmen für die Steuerung, Kommunikation und Schaltung in der Anlagenautomatisierung. Ein modulares Elektronikgehäuse besteht bei Phoenix Contact zum Beispiel aus einem Unterteil, ein bis vier Oberteilen und der Anschlusstechnik. Die Anschlusstechnik selber besteht aus einer Stiftleiste und einem Stecker. Die Stiftleiste wird auf der Platine im Inneren des Gehäuses angebracht, der Stecker wird von außen durch ein Oberteil in die Stiftleiste eingesetzt. Sowohl die Unterteile, die Oberteile als auch die Stiftleisten und Stecker sind einzeln verkaufsfähige Artikel. Sie werden allerdings beim Kunden immer in Kombination eingesetzt und haben einzeln keinen direkten Nutzen.

Ein modulares Elekronikgehäuse der Firma Phoenix Contact

Die Anschlusstechnik kann mit verschiedenen Eigenschaften verwendet werden, um das System zu realisieren, z.B. unterschiedliche Stromstärke, Spannung, Polzahl, u.ä. Zum Start der Konfiguration ist der Typ der Anschlusstechnik noch nicht eindeutig bestimmt. Der Anwender startet mit einer generischen Produktstruktur und entscheidet die Details sukzessive im Verlauf der Konfiguration. Die Produktarchitektur muss daher modular aufgebaut werden. Über wohldefinierte Schnittstellen zwischen den Bestandteilen eines Systems kann die Kombinierbarkeit verschiedener Bestandteile gleichen Typs abgebildet werden. Konkret wird die Schnittstelle über eine Menge von Merkmalen definiert, zu denen für alle Komponenten die entsprechenden Werte vorliegen. Bei Phoenix Contact sind dies für die einsetzbaren Typen von Anschlusstechnik beispielsweise die Eigenschaften Stromstärke, Spannung, Polzahl, Höhe, Breite und Bauform.

Denken Sie bei der Benamung Ihrer Produktarchitektur vor allem daran, in der Sprache Ihrer Kunden zu sprechen! Eine technische Konfiguration ist wichtig, um baubare von nicht baubaren Konfigurationen zu unterscheiden. Der Bedarf des Kunden wird von ihm jedoch häufig mit ganz anderen Worten beschrieben. Holen Sie Ihren Kunden in seinem Wording ab, indem Sie eine vertriebliche Sicht auf die Konfiguration erstellen und diese auf die bereits vorhandenen technischen Details abbilden. Lesen Sie hierzu gerne auch den ersten Teil dieser Reihe „Komponentenhersteller“. 

Für die Auswahl einer Komponente stehen die Funktion und einige technische Eigenschaften im Vordergrund. Dieselbe Funktion kann von unterschiedlichen Typen von Komponenten bedient werden, sodass eine Vergleichbarkeit und / oder Austauschbarkeit auf vertrieblicher Ebene entsteht. Die technischen Eigenschaften sind nötig, um passende von nicht passenden Kombinationen auch auf technischer Ebene zu filtern, z.B. bei der Anschlusstechnik von Phoenix Contact über Stromstärke, Spannung, Polzahl, Höhe, Breite oder Bauform. Auf diese Weise entsteht quasi eine „Blackbox“: jede Komponente, die der Schnittstelle genügt (also eine passende Wertebelegung für die vorgegebene Menge an Merkmalen aufweist), ist für das System verwendbar.

Die Komponenten eines Systems können selber konfigurierbare Produkte sein. Phoenix Contact bietet z.B. Gehäuse an, bei denen das Unterteil selber konfigurierbar ist. Die Kombinatorik entsteht in diesem Fall durch die Auswahl der passenden Farbe, Länge und Leiterplattenbreite. In einem solchen Fall integrieren wir einfach das bereits bestehende Produktmodell inklusive des vorhandenen Regelwerks in die Systemkonfiguration. Es entsteht also eine „mehrstufige Konfiguration“. Die einzige Anforderung dafür ist, dass das Modell eines konfigurierbaren Produkts die von außen geforderte Schnittstelle bedient. Die Komplexität des Produkts wird in diesem Fall – für das System unsichtbar – hinter der „Blackbox“ versteckt. Der Anwender beschreibt seine Anforderungen weiterhin rein auf der vertrieblichen Sicht.

2. Gestalten der Prozesse zur Datenversorgung

Zum Aufbau eines Systemkonfigurators benötigt man neben den Stammdaten zu den einzelnen Komponenten des Systems auch die Beschreibung des großen Ganzen sowie die Kombinatorik der Komponenten untereinander.

Die technischen Daten zu den einzelnen Komponenten sollten bereits bekannt sein. Wir gehen in diesem Artikel ja davon aus, dass eine Systemkonfiguration auf bestehendem Komponentengeschäft aufgebaut wird. Unter technischen Daten verstehen wir Ausprägungen zu Merkmalen, im Beispiel von Phoenix Contact sind das unter anderen Höhe, Breite, Typ der Anschlusstechnik, Stromversorgung, Polzahl, Durchmesser, Material. Diese Daten sind bereits aus frühen Phasen des Produktentstehungsprozesses bekannt, z.B. aus der Konstruktion. Es gilt also vor allem, einen geeigneten Datenübernahmeprozess zu definieren.

Sind Komponenten innerhalb eines Systems selber konfigurierbare Produkte, so sollte das entsprechende Regelwerk ebenfalls bereits bekannt sein. Dann geht es auch hier vor allem darum, einen Datenübernahmeprozess zu definieren. Ist das Regelwerk noch nicht in bestehenden Systemen vorhanden, sondern liegt schriftlich in Dokumenten vor – oder in den Köpfen der Mitarbeiter –, so wird es in einem geeigneten Akquise-Prozess für den Konfigurator formal aufbereitet.

Die Quelle für dieses vorhandene Konfigurationswissen ist typischerweise das Produktmanagement, die Konstruktion oder die Logistik. Um variantenreiche Produkte prozesssicher abwickeln zu können, ist das Regelwerk häufig bereits in ERP-Systemen vorhanden. encoway bietet neben der Möglichkeit, Produktmodelle in der eigenen Modellierungsumgebung neu zu erstellen, beispielsweise auch die Integration von bestehenden Produktmodellen inklusive Regelwerk aus dem SAP LO-VC.

Die Abhängigkeiten der Komponenten untereinander kommen bei einer Systemkonfiguration neu hinzu. Häufig ist diese Kombinatorik eher einfacher Natur und den meisten Personen mit Fachwissen implizit bewusst. Ein Konfigurator benötigt dieses Wissen jedoch formal aufbereitet. Die Aufgabe besteht also auch an dieser Stelle darin, das relevante Wissen aus den Köpfen der Knowhow-Träger herauszuholen und entsprechend abzubilden.

3. Zusammenspiel der vertrieblichen Darstellung mit der logistischen Abwicklung

Eine Systemkonfiguration ist kein rein vertriebliches Thema! Um die vom Kunden am Point-of-Sale erstellten Systeme auch abwickeln zu können, müssen wir die notwendigen Voraussetzungen schaffen. Grundvoraussetzung ist, dass ein System als eine Bestellung abgewickelt und – je nach Wunsch des Kunden – auch vormontiert ausgeliefert wird. Beim Kunden sollte nämlich genau das ankommen, was er bestellt hat und möglichst nicht zusammenhangslos „ein Sack Einzelteile“.

Komponentenhersteller optimieren ihre logistischen Prozesse traditionell auf die Fertigung von standardisierten Produkten in hoher Stückzahl. Dadurch werden Skaleneffekte genutzt. Im Hintergrund läuft eine auftragsneutrale Produktion: die einzelnen Produkte werden basierend auf einem Forecast produziert und auf Lager gelegt. Bei Auftragseingang werden sie dann aus dem Lager genommen, verpackt und versandt. Der Fokus auf einer auftragsneutralen Fertigung ist damit historisch erklärbar und begründet.

Die hohe Kombinatorik im Systemgeschäft sorgt allerdings dafür, dass eine auftragsneutrale Zusammenstellung der einzelnen Komponenten nicht wirtschaftlich möglich, vielleicht sogar ausgeschlossen ist. Eine rein auftragsbezogene Fertigung ist ebenfalls nicht sinnvoll: man würde die positiven Skaleneffekte verlieren. Der einzig betriebswirtschaftlich sinnvolle Prozess ist also eine Kombination aus auftragsneutraler Produktion der einzelnen Komponenten und auftragsspezifischer Zusammenstellung, Montage und ggf. Veredelung der bestellten Systeme.

Dafür verknüpfen wir auftragsneutrale und auftragsspezifische Schritte in einem Auftrag miteinander. Typischerweise bündelt man dieses im ERP-System innerhalb einer Auftragsnummer. Neben der Zusammenstellung und Montage kommt möglicherweise auch die Fertigung von kundenindividuellen Komponenten oder eine spezielle Veredelung hinzu. Eine kundenindividuelle Komponente kann bei Phoenix Contact z.B. der Wunsch nach einer besonderen Gehäusefarbe sein, die nicht zum Standardprogramm gehört. Kundenindividuelle Veredelungen dagegen können z.B. spezielle Ausfräsungen im Oberteil sein, über die Bedienelemente der Elektronik innerhalb des Gehäuses zugänglich gemacht werden. Die hierfür nötigen Arbeitsschritte übernehmen wir gemeinsam mit der Stückliste auf Komponentenebene in den Auftrag. Der spätestmögliche Zeitpunkt dafür ist also direkt vor Verpackung und Versand. Je nach Verteilung der Anteile an Standard und auftragsspezifischer Arbeit ist das aber auch deutlich früher sinnvoll.

Fazit

Komponenten sind immer Bestandteil eines größeren Ganzen. Sie werden vielleicht einzeln gekauft, aber immer in größerem Kontext betrieben.

Beugen Sie nicht funktionsfähigen Zusammenstellungen auf Kundenseite vor, indem Sie direkt komplette, auf Baubarkeit geprüfte Systeme anbieten und vertreiben. Einen Teil der benötigten Daten haben Sie aus dem bestehenden Komponentengeschäft bereits zur Hand. Die darüber hinaus relevante Kombinatorik bekommen Sie mit den drei hier beschriebenen Schritten auch in den Griff.

Ich hoffe dieser Artikel hilft Ihnen dabei, Ihre Produktkombinatorik angemessen in Form von Systemen in den Markt zu kommunizieren. Sehr gerne stehe ich für weitergehende Fragen und Rückmeldungen zur Verfügung. In einer Vielzahl von Kundenprojekten hat encoway weitreichende Erfahrung im Variantenmanagement gesammelt, von denen auch Ihr Unternehmen profitieren kann.

cta-eb-zeit-geld-cpq-de