Was ist ein Typschlüssel?
„Typschlüssel“, häufig auch „Produktschlüssel“ oder „Bestellcode“ genannt, sind Zeichenketten, die eine Variante eines konfigurierbaren Produkts eindeutig identifizieren. Analog dazu werden auch (lagerhaltige) Komponenten beschrieben, aus denen Produkte individuell zusammengestellt werden können; dort typischerweise „Teilenummern“ oder „Sachnummern“ genannt. Sie sehen so oder ähnlich aus: „ABCD-12-3E-F-45-G6“. Während Komponentenhersteller zur Kommunikation mit dem Kunden häufig den „Typschlüssel“ nutzen, so nutzen Maschinen- und Anlagenbauer die „Teilenummer“ zur internen Kommunikation. Was beide gemein haben ist die Tatsache, dass der Schlüssel die Teilmenge der für die Identifikation relevanten Merkmale kodiert. Dieser Artikel fokussiert den „Typschlüssel“ – also die externe Darstellung der Produktvarianz in Richtung Markt. Von einem „sprechenden Typschlüssel“ reden wir dann, wenn es sich um eine menschenlesbare Codierung handelt. Die Darstellung des Typschlüssels zum Kunden ist geradezu selbstverständlich für die meisten Komponentenhersteller. Häufig wird der Aufbau des Schlüssels sogar in einem Datenblatt grafisch erklärt. Was wir häufig beobachten ist, dass der Typschlüssel eine Länge und auch Komplexität erreicht, bei der das Attribut „menschenlesbar“ infrage gestellt werden kann. Und genau hier kollidiert diese etablierte Tradition mit den aktuellen Anforderungen der Individualisierung: der Typschlüssel skaliert nur bis zu einer endlichen Menge an Produktvarianten. Ein Beispiel: Ein Kompaktejektor der Firma Schmalz hat inklusive der optionalen Auswahlmöglichkeiten ca. 20 vertrieblich relevante Merkmale, die eine Variante eindeutig identifizieren. Mal angenommen, wir codieren diese Merkmale jeweils mit zwei Zeichen, dann hätte der gesamte Schlüssel, mit Trennzeichen, eine Länge von knapp 60 Zeichen. Dass diese Varianz schlauer abgebildet werden kann, zeigt die Darstellung des von Schmalz verwendeten Schlüssels weiter unten in diesem Artikel. Bevor wir auf diese Herausforderung tiefer eingehen, wagen wir einen kleinen Rückblick.Warum wurde der Typschlüssel ursprünglich entwickelt
Der Typschlüssel wurde entwickelt, um viele Informationen mit wenig Platzbedarf zu transportieren. Gerade wenn die Anzahl an Varianten nicht mehr sinnvoll aufgelistet werden kann, ist die Weitergabe dieser Information als Baukasten eine valide Form. Wir müssen bedenken, dass zu der Zeit, als der Typschlüssel entstanden ist, Informationsweitergabe und Bestelleingang in Papierform der normale Weg waren.Ziel der Kodierung ist eine eindeutige Beschreibung der zur Auswahl stehenden Merkmalswerte. Der Code „B“ kann zum Beispiel für die Farbe „blau“ stehen und beschreibt dann einen klar definierten Farbton. In Form von Freitext gäbe es keine Begrenzung der Beschreibungen – und das wäre nicht eindeutig interpretierbar. Schnell wird klar: der Typschlüssel stellt eine Art „Fremdsprache“ dar, die erlernt werden muss. Wer regelmäßig beim gleichen Hersteller einkauft, der gewöhnt sich schnell an diese Sprache. Wer gelegentlich einkauft, und das bei mehreren Herstellern, der hat in der Regel Schwierigkeiten. Dies erschwert das Einkaufserlebnis der Kunden.
Die heutige, digitalisierte Welt bietet ganz andere Möglichkeiten der Informationsverarbeitung. Eine der wichtigsten Neuerungen ist dabei, verschiedene Sichten auf ein Datenmodell zu verwenden. Gemeint ist also, dass Teile der vorhandenen Informationen versteckt und andere Teile gleichzeitig übersetzt werden können. So sieht jeder Anwender genau den Teil der verfügbaren Information, der für die aktuelle Aufgabe relevant ist – und kann sich auf eben diese Aufgabe fokussieren.
Ganz so weit ist es mit der Digitalisierung in den meisten Unternehmen dann doch noch nicht – warum eigentlich?
Was sind die Probleme mit dem Typschlüssel?
Unsere Kunden und befreundete Unternehmen aus unserem Netzwerk berichten immer wieder von einer unzureichenden Abbildung der tatsächlichen Produktvarianz in einem Typschlüssel. Das haben wir zum Anlass genommen, uns gemeinsam mit diesen Unternehmen in einem offenen Austausch den Ursachen und auch möglichen Lösungen zu nähern. Wir haben einen Online-Erfahrungsaustausch, bestehend aus drei Terminen, organisiert und durchgeführt. Im Folgenden beschreiben wir die Kern-Erkenntnisse.
In unserem ersten Termin haben wir die aktuelle Situation besprochen, typische Probleme erkannt und erste Ideen für Lösungen entwickelt.
Neben der kognitiven Fähigkeit des Menschen haben auch IT-Systeme Grenzen. Die Längen von Datenfeldern im ERP-Systemen sind beispielsweise oft begrenzt. Bei der Firma elobau muss man ERP-seitig beispielsweise mit 16 Stellen für den Typschlüssel auskommen. Diese Grenze ist bei machen Produktfamilien schnell erreicht. Bei der Firma Bosch Rexroth liegt diese Grenze bei 40 Stellen. Die beispielhafte Rechnung zur Länge eines Typenschlüssels der Firma Schmalz wie es oben berechnet ist, würde allerdings nicht in ein Datenfeld mit 40 Zeichen passen. Wird eine solche Grenze durch steigende Varianz erst nachträglich erreicht, dann macht es eine Reaktion auf die Situation besonders schwierig.
Das zugrundeliegende Datenmodell ist statisch, während sich die Produkte weiterentwickeln. Neue Features müss(t)en im Datenmodell nachgezogen werden. Das wiederum führt zu einer sich verändernden Sprache – und damit zu Verwirrung auf Kundenseite. Generell gilt: Änderungen am Typschlüssel sind schwer kommunizierbar. Dadurch werden historische Altlasten selten abgebaut und eine anfangs schlüssige Bezeichnung der Optionen wird im Laufe der Zeit schwammig und vor allem unübersichtlich.
Hoher Aufwand für das Erhalten alter Datenstrukturen
Es wird also viel Aufwand in den Aufbau und die Verwaltung von veralteten Datenstrukturen gesteckt. Generell sind Datenstrukturen im Zeitalter der Digitalisierung wichtig – es mangelt jedoch häufig an der zielgerichteten Gestaltung.
Einer der schwerwiegendsten Aspekte ist nämlich, dass nicht alle Stellen im Typschlüssel frei kombinierbar sind. Beispielsweise stehen nicht für jede Linie des Schmalz Kompaktejektors jedes Saugvermögen und jede Ventilgrundstellung zur Verfügung. Diese Kombinatorik ist bei steigender Produktvarianz für ungeschulte Anwender nicht mehr sinnvoll aus einer schematischen Darstellung ablesbar. Digitale Systeme wie etwa Produktkonfiguratoren übernehmen diese Aufgabe und befreien den Nutzer von unnötigen Details.
Mögliche Lösungen und Hindernisse
In unserem zweiten Termin haben wir uns daher die Frage gestellt wie eine Welt ohne den sprechenden Typschlüssel aussehen kann – und vor allem: welche Hindernisse einer Änderung im Wege stehen.
Die größte Hürde bei jeglicher Änderung ist bekanntlich der Satz: „das haben wir schon immer so gemacht“. Auf ähnliche Weise wird oft argumentiert, dass die Kunden den Code kennen und gerne verwenden. Allerdings zählt dieses Argument nur bei bestehenden Produkten. Bei neuen Produkten hat man durchaus die Möglichkeit, neue Wege zu gehen. Teil dieses Wegs kann auch eine Software-gestützte Kommunikation der Produktvielfalt sein. Der Kunde muss in dem Fall gar nicht erst eine neue Sprache lernen.
Der Weg zum passenden Typschlüssel
Die tatsächlich größten Hindernisse liegen im herstellenden Unternehmen selbst. Durch die langjährige Verwendung von Typschlüsseln sind diese in den Prozessen und IT-Systemen fest verankert. Eine Abkündigung sprechender Typschlüssel stellt direkt ein großes Change-Projekt dar!
Ein komplettes Umwerfen bestehender Datenmodelle und Systeme ist daher für die meisten Unternehmen nicht denkbar. Möchte man diesen Weg gehen, dann kann es nur durch eine sukzessive Ablösung der Produktbereiche funktionieren – heißt: durch einen zeitlich begrenzten Parallelbetrieb der alten und der neuen Welt. Dieser Invest rentiert sich eher für Unternehmen, die ihre Produktvarianz sonst nicht abgebildet bekommen. Andere Unternehmen werden in der Regel mit den heutigen Schmerzen so lange leben, bis sie zu groß werden.
Langfristig sollte es im Unternehmen genau eine Art der Produktidentifikation geben. Denn: IT-Systeme sind dann am effizientesten eingesetzt, wenn es genau ein System für eine Aufgabe gibt – also über alle Produkte hinweg gelichartig abgebildet. Jede System-Varianz daneben bedeutet Redundanz – und damit zusätzliche Prozesskosten.
Der Mittelweg – der teil-sprechende Schlüssel als Lösung
Eine Kernerkenntnis ist: wir machen diese Art der Abbildung für uns Menschen. Der Computer kann die gleiche Menge an Informationen auf einem viel komprimierteren Platz interpretieren. Das Erweitern von Feldlängen in IT-Systemen ist also keine echte Lösung. Die kognitive Grenze des Menschen liegt typischerweise bei sieben „Informationshäppchen“, die wir gleichzeitig aufnehmen und verarbeiten können. Sieben Elemente, die mit jeweils zwei Zeichen kodiert, und über ein Trennzeichen getrennt sind, erreichen eine Gesamtlänge von 20 Stellen. Alles darüber hinaus sollten wir nicht als „sprechenden“ Schlüssel betrachten. Wir können als eine sinnvolle Grenze für die Anwendung von Typschlüsseln also festhalten:
- Produkte mit eher geringer Varianz in 3 bis 5 Merkmalen kann man gut über einen sprechenden Schlüssel abbilden. Das sind häufig lagerfähige Artikel.
- Produkte mit deutlich größerer Varianz, vor allem bei Losgröße 1, sollte man nicht versuchen, in sprechenden Schlüsseln abzubilden.
Eine mögliche Lösung liegt daher in dem so oft gewählten „Mittelweg“: Für Produkte mit hoher Varianz wählt man die 3 bis 5 aus Kundensicht wichtigsten Merkmale, kodiert diese menschenlesbar wie bisher, und beschreibt die restliche Varianz über einen rein maschinenlesbaren Code. So ähnlich macht es beispielweise die Automobilindustrie: der „VW Passat High-Line 2,0 Liter Diesel“ steht in der Bezeichnung, aber welches Navigationssystem oder welche Felgen gewählt wurden, das ist nur in einer Liste aller Details nachvollziehbar.
Die Lösung im Praxistest
In unserem dritten Termin haben wir schließlich beispielhaft teil-sprechende Schlüssel für reale Produkte entwickelt. Konkret haben wir zusammen mit den Unternehmen Bosch Rexroth AG, elobau GmbH & Co. KG, InterApp AG, Komax Holding AG, Kübler Group und Schmalz GmbH je eine Baureihe ausgewählt, die wichtigsten Merkmale bestimmt, diese in einem Schlüssel kodiert und dann die Vor- und Nachteile diskutiert.
Für alle gewählten Beispiele konnten wir einen sinnvollen, teil-sprechenden Schlüssel bilden. Das Auswählen der wichtigsten Merkmale war ebenfalls für alle Unternehmen schnell erledigt.
Für eines der Unternehmen kommen Typschlüssel generell nicht infrage – man hat heute bereits keine und möchte auch in Zukunft keine einführen. Ein anderes Unternehmen ist zum aktuellen Zeitpunkt mit dem vollständig sprechenden Schlüssel zufrieden. Die anderen vier Unternehmen sehen in dem teil-sprechenden Schlüssel den richtigen Weg für die Zukunft. Die Firma elobau hatte bereits im Vorfeld mit dieser Idee gespielt und ein fertiges Konzept „in der Schublade“. Man wartet noch auf einen guten Zeitpunkt, um mit der Umstellung zu beginnen. Die Firma Schmalz ist da einen Schritt weiter. Man hat das Potenzial schon länger erkannt und setzt bereits auf diese Art der Darstellung. Die nachfolgende Abbildung beschreibt den heute genutzten teil-sprechenden Schlüssel für Kompaktejektoren, so wie er bereits in der Abwicklung verwendet wird. Im Direktvergleich mit dem Konzept aus der Einleitung eine erhebliche Erleichterung für die menschliche Verständlichkeit.
Unsere Empfehlungen zur Optimierung Ihres Typschlüssels
Zum Abschluss möchten wir Ihnen noch ein paar praktische Dos und Don’ts mit auf den Weg geben:
- Auf keinen Fall sollten Sie vollständig sprechende Typschlüssel neu einführen, wenn Sie sich nicht wirklich sicher sind, dass die zukünftige Produktvarianz sinnvoll abgebildet werden kann.
- Sie sollten vollständig sprechende Typschlüssel ebenfalls nur dann einführen, wenn Sie alle Produkte im Unternehmen damit abgebildet bekommen. Manchmal erscheint es für einfache Produkte so naheliegend. Aber wenn es für einen Teil des Produktportfolios nicht trägt, dann müssen Sie redundante Prozesse, IT-Systeme und Datenstrukturen für die gleiche Aufgabe anlegen und verwalten.
- Wenn Sie Schlüssel definieren, die deutlich mehr als 5 Merkmale kodieren, dann sollten Sie hinterfragen ob ein vollständig sprechender Schlüssel der richtige und zukunftsfähige Weg ist.
- Wenn Sie einen Wechsel von bestehenden Typschlüsseln hin zu einer Welt ohne, oder zumindest mit teil-sprechenden Schlüsseln gehen möchten, dann sollten Sie mit neuen Produkten beginnen und sukzessive umstellen. Ein Generationenwechsel im Produktportfolio bietet ebenfalls eine gute Gelegenheit.
- Verwenden Sie möglichst gleichartige Strukturen und Kürzel innerhalb der Schlüssel für verschiedene Produkte. Die gleiche Eigenschaft sollte bei unterschiedlichen Produkten nach Möglichkeit gleich kodiert sein. Das erleichtert es außenstehenden, den Code zu erlernen.
- Als international agierendes Unternehmen verzichten Sie lieber darauf, deutsche Abkürzungen in den Code zu bringen. Diese sind für die große Mehrheit der Anwender nicht ersichtlich.
Sie kennen die in diesem Artikel beschriebene Situation? Sie wissen nicht, wie Sie die aktuelle Lage in Ihrem Unternehmen bewerten sollen? Sie sind unsicher was die nächsten sinnvollen Schritte sind? Fragen Sie uns! Wir unterstützen Sie gerne dabei.
Head of Consulting, encoway GmbH
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Wir möchten uns an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich für das Interesse, die Teilnahme und die aktive Unterstützung bei den Unternehmen bedanken! Vor allem die gute Vorarbeit des dritten Termins hat dazu beigetragen, dass wir zielorientiert vorgegangen sind und gute Ergebnisse erzielen konnten.
Als globaler Partner unterstützt Bosch Rexroth den weltweiten Maschinen- und Anlagenbau mit technologischen Spitzenleistungen und einzigartigem Branchenwissen. Lösungen von Bosch Rexroth helfen Maschinenherstellern und Anwendern zum Beispiel bei der wirtschaftlichen Produktion kleiner Losgrößen oder dabei, Energie zu sparen und gleichzeitig die Produktivität zu erhöhen.
elobau ist ein weltweit agierender Hersteller von berührungsloser Sensortechnik, Füllstandsmessung und Bedienelementen für mobile Arbeitsmaschinen und den Maschinen- und Anlagenbau. Mit Sitz in Leutkirch im Allgäu und über 1000 MitarbeiterInnen hat es sich das Unternehmen zur Aufgabe gemacht, nachhaltige Lösungen anzubieten.
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